Sonntag, 10. August 2014

Ein Tag mit der britischen Eisenbahn

Heute bin ich dann noch dem Ratschlag meiner Kollegen gefolgt und war im Nationalen Eisenbahnmuseum. Das klingt wahrscheinlich ziemlich langweilig, aber es ist echt der Wahnsinn.
(gewonnen hatten sie mich ja schon, als ich die Aufbewahrungsfächer gesehen habe, einen der wenigen Orte im sonst eher angesichts unbewachter Gepäckstücke nervösen England, an dem ich meinen bis offen vollgestopften Rucksack abladen konnte, statt ihn mit mir herumzuschleppen)

Und dann wurde es noch besser!
Es gibt einen Miniatureisenbahnhof, den Zug, der zwischen England und Frankreich fährt in einem Tunnel im Originalmaßstab
und jede Menge ungeheuer große eindrucksvolle Züge aus verschiedenen Zeiten und Regionen
sogar einen der wahnsinnig schnellen japanischen Shinkansen-Züge! Und ein Modell der "Rocket", dem Zug, der auf einer der ersten Eisenbahnlinien der Welt fuhr: zwischen Manchester und Liverpool
und ganze Wände voll Namensschildern von ehemaligen Zügen
und einen Minizug, das sogenannte Haustier, das sich die Bahningenieure gebaut haben, um sich Werkzeuge und Materialien hin und her zu schicken und das sie ihr Haustier genannt haben.

130.000 Züge wurden in Großbritannien zwischen 1800 und 1960 gebaut. Und hier was Putziges: es gibt hier ja sowieso ein eher, sagen wir, unintuitives Einheitensystem: ein foot sind 12 inches, ein yard sind 3 feet und eine Meile sind 1760 yard. Als wäre das nicht putzig genug: als man sich auf ein Standardmaß für den Abstand zwischen Bahngleisen festlegte, entschied man sich für ...
4 feet und 8 1/2 inch.
Hat sich mal jemand über Gleis 9 3/4 bei Harry Potter gewundert? Ich jetzt nicht mehr :)

Von der Halle mit all den Zügen
kommt man ins Warenlager.
Und der Begriff wird dieser Sammlung nicht annähernd gerecht, die alles beinhaltet, was irgendwie mit Zügen zu tun hat: Bahnhofshallenmobiliar, Namensschilder, Geschirr aus den Speisewagen, Hinweisschilder, Fahrkartenautomaten, Modelleisenbahnen, Weichensteller, Statuen, Uniformen und - wiederum mein Favorit - eine Sammlung mit allen Proben von allen Gesteinen auf dem Weg der britischen Eisenbahn.

Und einen Geruchsautomaten, an dem man die verschiedenen Bereiche des Bahnhofs erriechen kann.

Danach ging es dann weiter mit den Abläufen, wo einem erklärt wird, wie die Bahn funktioniert: Flaggensignale und Ampelsignale und Weichenstellung und Abstandshaltung und warum es dann eben manchmal doch nicht funktioniert :)


 Zum Abschluss gibt es dann noch ein ganz besonderes Schmankerl: eine Sammlung der Züge der königlichen Familie: den Originalzug, in dem Königin Victoria damals durch das Land gefahren ist
und den gepanzerten Zug, in dem die königliche Familie während des zweiten Weltkriegs durchs Land gefahren ist, um die Moral zu heben und den Zug, in dem einer der Könige einen Extra-Rauchersalon hat einbauen lassen
und einen kompletten nachgebauten Bahnsteig mit Milchwagon und Kühl-Fisch-Wagon und Obstwagon und Gepäckwagen und Viehwagon und und und. Wirklich toll.
Meine Lieblingsgeschichte aus der noblen Flying Scotsman, die alles zu bieten hatte, was es damals an Luxus gab, um die acht-Stunden-Fahrt erträglich zu machen: wenn den Köchen im Speisewagen irgendeine Zutat ausging, haben sie eine rohe Kartoffel genommen, sie ausgehöhlt, einen Zettel mit der fehlenden Zutat hineingesteckt und sie bei der nächsten Gelegenheit an das Signalwärterhäuschen geworfen. Der hat dann die Kartoffel gelesen, die benötigte Zutat dem nächsten Bahnhof gemeldet und dort stand dann beim nächsten Halt alles bereit und konnte an Bord genommen werden.

Nachdem ich dann ausgiebig über Züge, Abläufe und mögliche Gründe für Zugunglücke informiert war, war ich etwas entmutigt, als ich wieder nach draußen kam und die Überreste von Hurricane Bertha sich alle Mühe gegeben haben, einen Eindruck des Weltuntergangs zu vermitteln, aber - ihr werdet es nicht glauben - meine vorerst letzte Zugreise in England verlief pünktlich, umleitungsfrei und abgesehen von gruseligem Wetter absolut ereignislos. Ich war wirklich beeindruckt.

Abends habe ich mein Glück dann beim Backen von Pekannuss-Shortbread auf die Probe gestellt, immer noch umgeben von Weltuntergangswetter. Weltuntergangs-Pekannuss-Shortbread.

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